Kinder und Jugendliche mit persistierenden Lernschwierigkeiten insbesondere in den Bereichen Lesen, Rechtschreiben und Rechnen sind meist auch entmutigte Schüler. Das bedeutet, dass sie aufgrund vieler Misserfolge und negativer Rückmeldungen das Vertrauen in ihre Lernfähigkeit verloren haben. Aufgabe der Lerntherapeutin ist dann nicht nur eine individualisierte Lese-, Rechtschreib- und Rechenförderung, sondern auch und vor allem die Stärkung des Selbstwertgefühls. Lesen Sie nachfolgend, wie das gelingen kann und welche Bedeutung das Selbstwertgefühl für das Lernen hat.
Selbstwertgefühl – viel mehr als ein pädagogischer Modebegriff
Ein positives Selbstwertgefühl ist für unser Wohlbefinden und unsere Lebensgestaltung von herausragender Bedeutung. Wer darüber verfügt, ruht in sich, fühlt sich wertvoll und kann den Herausforderungen des Alltags mit Zuversicht begegnen. Menschen mit einem gering entwickelten Selbstwertgefühl erleben hingegen ein “konstantes Gefühl von Unsicherheit, Selbstkritik und Schuld” (Juul, 2008, S. 96). Dass dies gerade bei Schülern mit Lernschwächen problematisch ist und eine “negative Lernstruktur” (Betz/Breuninger, 1998) in Gang setzen kann, sollte jeder Lerntherapeut wissen. Wie aber kann dem entgegengewirkt werden?
Entmutigte Schüler in der Lerntherapie
Bevor ein Kind zur Lerntherapie angemeldet wird, hat es vielfältige Situationen erlebt, die es zu der Überzeugung geführt haben, nicht in Ordnung oder gar dumm zu sein. Erfolge im Lesen, Rechtschreiben oder Rechnen erleben Lernschwache selten und somit können Freude, innerliches Wachstum und eine Stärkung des Selbstwertgefühls nur unzureichend entstehen. Dies alles ist aber wichtig für weitere Lernerfolge, denn Lernen macht auf Dauer nur Spaß, wenn es mit positiven Gefühlen einhergeht. Daher sollten Lerntherapeuten einem neuen Therapiekind gleich beim ersten Kontakt zu verstehen geben, dass Lerntherapie kein zusätzlicher Schulunterricht ist, sondern dass es hier ganz im Mittelpunkt steht und auf seine eigene Art lernen darf.
Ermutigung – eine Voraussetzung für Lernmotivation
Ermutigung gibt Auftrieb, stärkt den Glauben an die eigenen Fähigkeiten und ist daher wichtig für die Lernmotivation. Wer sich als hilflos erlebt, wird seine Bemühungen einstellen, denn weitere Misserfolge würden das ungute Gefühl verstärken. Wer sich hingegen seiner Kompetenzen bewusst ist, kann in Lern- und Leistungssituationen gelassen bleiben und mutig sein Bestes geben. Ermutigung kann ein Kind durch Menschen erfahren, die ihm Zuwendung schenken und ihm etwas zutrauen. Das kann z.B. eine Lerntherapeutin sein, die geduldig und aufrichtig interessiert an dem Kind und seinen individuellen Lernbedürfnissen ist und wie ein Trüffelschwein nach Stärken sucht, um darauf die Lerntherapie aufzubauen.
Wie Lerntherapeuten ermutigen und das Selbstwertgefühl fördern
Aus lerntherapeutischer Sicht ist es wichtig, das Kind früh zu der Erkenntnis zu bringen, dass es so wie es ist in Ordnung und in manchen Dingen richtig gut ist. Beschränken Sie sich in der Diagnostikphase je nach den Schwierigkeiten des Kindes auf einen Lese-, Rechtschreib- oder Rechentest. Sicherlich könnten Sie noch viel mehr testen, aber was macht es mit einem Kind, wenn es schon kurz nach dem Kennenlernen mit einer Fülle von Testverfahren und Fragebögen konfrontiert wird? Vieles lässt sich auch bei der Auswertung kürzlich geschriebener Schuldiktate und freier Texte herausfinden. Auch Gespräche in entspannter Atmosphäre können aufschlussreicher sein als das Durchgehen eines vorgefertigten Fragenkatalogs. In der Lerntherapie sollten Sie mit Aufgaben und Materialien anfangen, denen das Kind gewachsen ist. Dieser Beginn an der Null-Fehler-Grenze ermöglicht Anfangserfolge, die für den weiteren Verlauf der Lerntherapie von großer Bedeutung sind. Mit wachsendem Selbstwertgefühl wird sich das Kind auch anspruchsvollere Aufgaben zutrauen und schließlich seine Lernschwierigkeiten überwinden.
Mehr zum Thema „Lernmotivation“
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Quellenangaben
Betz, D., Breuninger, H. (1998): Teufelskreis Lernstörungen. Theoretische Grundlegung und Standardprogramm. Beltz.
Juul, J. (2008): Das kompetente Kind. Auf dem Weg zu einer neuen Wertgrundlage für die ganze Familie. Rowohlt.