Legasthenie-Erlass Rheinland-Pfalz

Wichtiger Hinweis: Bitte wenden Sie sich mit Fragen zur Auslegung der Erlasse an die jeweilige Schulbehörde. Vielen Dank.

Förderung von Schülerinnen und Schülern mit besonderen Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben

Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft, Jugend und Kultur vom 28. August 2007 (9321- Tgb. Nr. 2308/07)

1 Geltungsbereich

Diese Verwaltungsvorschrift gilt für die Förderung von Schülerinnen und Schülern mit besonderen Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben in Schulen der Sekundarstufe I, im Berufsvorbereitungsjahr sowie in der Berufsfachschule I und Berufsfachschule II.

2 Grundsätze der individuellen Förderung

2.1 Unterricht zielt auf ganzheitliche (kognitive, sozial-emotionale und psychomotorische) Förderung der Schülerinnen und Schüler. Jede Schülerin und jeder Schüler ist entsprechend der individuellen Lernvoraussetzungen und Entwicklungsmöglichkeiten durch geeignete Lern- und Arbeitsformen zu fördern. Auf diese Weise können Schülerinnen und Schüler Sicherheit gewinnen, Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten entwickeln und zur Übernahme von Verantwortung für die eigene Lernentwicklung ermutigt werden.

2.2 Individuelle Förderung in der Schule orientiert sich deshalb vorrangig am Lernentwicklungsstand, den Lernbedingungen und Arbeitsmöglichkeiten der einzelnen Schülerinnen und Schüler.

2.3 Für Schülerinnen und Schüler mit besonderen Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben gelten diese Grundsätze in besonderer Weise.

3 Besondere Förderung

3.1 Aus dem schulgesetzlichen Auftrag der individuellen Förderung (§ 10 Abs. 1 Satz 1 SchulG) leitet sich für die Schule die Verpflichtung ab, Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben frühzeitig zu erkennen. Für Schülerinnen und Schüler mit besonderen Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben werden auf der Grundlage förderdiagnostischer Beobachtungen individuelle Förderpläne als Teil eines schulischen Förderkonzepts entwickelt und im Rahmen des individuell fördernden Unterrichts als besondere Förderung umgesetzt.

3.2 Auf Leistungsschwächen von Schülerinnen und Schülern mit besonderen Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben ist im Unterricht Rücksicht zu nehmen. In einzelnen Leistungsbereichen sind ggf. differenzierte Anforderungen zu stellen.

3.3 Für Schülerinnen und Schüler mit besonderen Schwierigkeiten beim Lesen und Rechtschreiben sind besondere Unterstützungsprogramme wie Intervallförderung oder Förderung in Zusatzkursen möglich. Über die Gruppengröße und den zeitlichen Umfang entscheidet die Schule in eigener Verantwortung.

3.4 Die Klassenleitung oder nach Beauftragung durch die Schulleitung die Klassenleitung zusammen mit der Fachlehrkraft Deutsch ist für die Koordination der besonderen Förderung zuständig. Sie entscheidet im Benehmen mit den Eltern, in Absprache mit den betroffenen Schülerinnen und Schülern, mit den jeweiligen Lehrkräften im Fach Deutsch und den anderen an der Förderung beteiligten Lehrkräften, bei Bedarf auch unter Einbeziehung außerschulischer Personen und Institutionen über Notwendigkeit, Art und Dauer der besonderen Förderung. Sie ist für Rückmeldungen an die Beteiligten verantwortlich.

3.5 Die besondere Förderung hat insbesondere zum Ziel,

  • die Stärken von Schülerinnen und Schülern herauszufinden, sie ihnen bewusst zu machen und Erfolgserlebnisse zu vermitteln,
  • Arbeitstechniken und Lernstrategien zu vermitteln, um die vorhandenen Schwächen ausgleichen zu können, sowie
  • die betroffenen Schülerinnen und Schüler an die Leistungsanforderungen des jeweiligen Bildungsganges heranzuführen.

3.6 Für das Gelingen der besonderen Förderung sind der regelmäßige Kontakt und die Zusammenarbeit mit den Eltern von großer Bedeutung. Die Eltern werden über die jeweils angewandte Methode, über die besonderen Lehr- und Lernmittel, über häusliche Unterstützungsmöglichkeiten, geeignete Fördermaterialien, Motivationshilfen und Leistungsanforderungen informiert. Die Schülerinnen und Schüler müssen die in der Regel verschiedenen und aufeinander aufbauenden besonderen Fördermaßnahmen als eine dauerhafte und verlässliche Unterstützung erfahren können.

4 Leistungsfeststellung und Leistungsbeurteilung

4.1 Schülerinnen und Schüler mit besonderen Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben unterliegen in der Regel den für alle Schülerinnen und Schüler geltenden Maßstäben der Leistungsfeststellung und Leistungsbeurteilung. Hilfen im Sinne eines Nachteilsausgleichs und das Abweichen von den Grundsätzen der Leistungsfeststellung und Leistungsbeurteilung sind bei Schülerinnen und Schülern mit besonderen und lang anhaltenden Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben zu gewähren. Sie sollen nach Möglichkeit unter Fortführung von Förderung nach und nach wieder abgebaut werden.

4.2 Vorrangig vor dem Abweichen von den allgemeinen Grundsätzen der Leistungsfeststellung und Leistungsbeurteilung sind Hilfen im Sinne eines Nachteilsausgleichs vorzusehen, z.B.:

  • Ausweiten der Arbeitszeit, z. B. bei schriftlichen Arbeiten,
  • Bereitstellen von technischen und didaktischen Hilfsmitteln.

4.3 Als Abweichungen von den allgemeinen Grundsätzen der Leistungsfeststellung und Leistungsbeurteilung kommen insbesondere in Betracht:

  • Einordnen der schriftlichen und mündlichen Leistung unter dem Aspekt des erreichten Lernstands mit pädagogischer Würdigung,
  • stärkere Gewichtung mündlicher Leistungen und anderer nicht schriftlicher Leistungen, insbesondere in Deutsch und den Fremdsprachen,
  • zeitweiser Verzicht auf eine Bewertung der Lese- und Rechtschreibleistung in allen betroffenen Unterrichtsgebieten,
  • Nutzung des pädagogischen Ermessensspielraumes und zeitweiser Verzicht auf die Bewertung von Klassenarbeiten und anderen schriftlichen Leistungsnachweisen während der Förderphase,
  • verbale Beschreibung des Lernfortschritts anstelle oder ergänzend zu einer Bewertung nach dem Notensystem,
  • verbale Bewertung der Rechtschreibleistung bei Schreibaufgaben.

Alle Abweichungen von den üblichen Beurteilungsregelungen müssen in den individuellen Förderplänen der Schülerinnen und Schüler festgelegt sein und durch die Klassenkonferenz beschlossen werden.

4.4 Die Grundsätze nach Nummer 4.3 gelten auch für das Erstellen von Jahres- und Halbjahreszeugnissen. Bei Abgangs- und Abschlusszeugnissen kann auf Antrag der Eltern auf eine Bewertung der Lese- und Rechtschreibleistung in allen betroffenen Unterrichtsgebieten verzichtet werden, wenn eine mehrjährige schulische Förderung unmittelbar vorangegangen ist. Die Abweichung von den allgemeinen Grundsätzen der Leistungsfeststellung und Leistungsbeurteilung ist in den Zeugnissen unter „Bemerkungen“ zu vermerken.

4.5 Bei der Versetzung oder beim Übergang in eine andere Schule der Sekundarstufe I ist die Gesamtleistung der Schülerin oder des Schülers zu berücksichtigen.

5 Inkrafttreten

Diese Verwaltungsvorschrift tritt am Tage nach der Veröffentlichung in Kraft.

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