Richtlinien zur Förderung von Schülerinnen und Schülern mit besonderen Schwierigkeiten im Lesen und Schreiben (LRS-Erlass in der Fassung vom 01.08.2007)
Präambel
Der Beherrschung der Schriftsprache kommt für die sprachliche Verständigung, für den Erwerb von Wissen und Informationen, für den Zugang zum Beruf und für das Berufsleben besondere Bedeutung zu. Es gibt Schülerinnen und Schüler mit besonderen Schwierigkeiten beim Erlernen des Lesens und Rechtschreibens. Ausmaß und Folgen solcher Schwierigkeiten sind ausführlich untersucht und diskutiert. Die pädagogische, psychologische und medizinische Forschung auf diesem Gebiet ist kontrovers und hat viele Fragen nicht abschließend geklärt. Unbestritten ist, dass die Diagnose und die darauf aufbauende Beratung und Förderung der Schülerinnen und Schüler mit besonderen Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben zu den Aufgaben der Schule gehört.
Es ist eine der wichtigsten Aufgaben der Grundschule, den Kindern das Lesen, Schreiben und Rechtschreiben zu vermitteln. Ein sorgfältig durchgeführter Erstlese- und Schreibunterricht verschafft den Schülerinnen und Schülern zunehmend größere Sicherheit im Umgang mit der Schriftsprache. Der Lernprozess wird nach Abschluss der Grundschulzeit fortgesetzt, die Kenntnisse und Fertigkeiten beim Lesen und Rechtschreiben werden erweitert und verfeinert.
Erwerben die Kinder keine tragfähigen Grundlagen beim Lesen- und Schreibenlernen, können sich die Schwierigkeiten beim weiteren Lernen ausweiten. Besondere Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten entwickeln sich bereits in den Grundschuljahren und nicht erst später. Sie machen sich bei vielen Kindern schon im Anfangsunterricht, spätestens im zweiten oder dritten Schuljahr bemerkbar. Die wiederkehrenden Misserfolgserfahrungen wirken entmutigend und führen dazu, dass die Lernmotivation und das Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit allmählich verloren gehen.
Erforderlich sind deshalb frühzeitige Maßnahmen der Lernstandsdiagnostik und darauf aufbauende Förderung bis in die Sekundarstufe hinein. In Fällen andauernder und trotz früher Förderung veränderungsresistenter Schwierigkeiten beim Lesen und Rechtschreiben sind die Sekundarstufen gehalten, nach ihren Möglichkeiten angemessen weiter zu fördern und in Einzelfällen Nachteilsausgleiche zu gewähren. In der Sekundarstufe I ist dabei besonders zu beachten, dass dort Schwierigkeiten beim Lesen und Rechtschreiben in den Fremdsprachen ein weiteres Lernfeld spezifisch betreffen können.
1. Diagnostische Voraussetzungen der Förderung
1.1 Primarstufe:
Die Beobachtung der Lernausgangslage in der Klassenstufe 1 ist von grundlegender Bedeutung. Um mit der Förderung möglichst frühzeitig beginnen und einen individuellen Förderplan entwickeln zu können, müssen Lernschwierigkeiten frühzeitig erkannt werden. Grundlage eines Förderplans sind die differenzierte Beschreibung des Leistungsstandes und der spezifischen Fehlermuster beim Lesen, Schreiben und Rechtschreiben, eine Einschätzung der Lernvoraussetzungen und -bedingungen und eine gezielte Beobachtung des Lernverhaltens. Bei der Bewertung dieser Beobachtungen sind die individuellen Lernentwicklungen und die jahrgangsbezogenen Lernzielvorgaben zu berücksichtigen. Zur Unterstützung der Schulen werden in der 1. sowie in der 2. Jahrgangsstufe Sichtungsverfahren (Screenings) zur Erfassung von Schülerinnen und Schülern mit Lese- Rechtschreibschwierigkeiten durchgeführt. Aus diesen Sichtungsverfahren sind Empfehlungen für die innere und äußere Differenzierung und ggf. Zuweisungsempfehlungen für besondere schulische Fördermaßnahmen abzuleiten.
Art und Umfang der Lernschwierigkeiten, die Förderempfehlungen und die Ergebnisse der Förderung werden in den individuellen Förderplänen der Schülerinnen und Schüler festgehalten (Lernentwicklungsdokumentation), über die die Erziehungsberechtigten zu informieren und die mit ihnen zu beraten sind mit dem Ziel der gemeinsamen Unterstützung der Kinder.
Schülerinnen und Schüler mit erheblichen Lernrückständen beim Lesen, Schreiben und Rechtschreiben werden unter Einbeziehung der Erziehungsberechtigten den schulischen Förderbeauftragten vorgestellt. Förderbeauftragte sind Lehrerinnen und Lehrer der Grundschulen, die im Rahmen des Förderkonzeptes der Schule die Maßnahmen der Lernstandsdiagnostik, der Beratung und der Förderung koordinieren.
1.2 Sekundarstufe:
Die Fachlehrerinnen / Fachlehrer des Faches Deutsch und der fremdsprachlichen Fächer informieren sich zu Beginn der Sekundarstufe I über den Lernentwicklungsstand und die durchgeführten Fördermaßnahmen der Schülerinnen und Schüler mit Leserechtschreibschwierigkeiten anhand der Lernentwicklungsdokumentation. Die Sekundarstufe schreibt die Förderplanung der Grundschule weiter.
1.3 Primarstufe und Sekundarstufe:
Ist im Einzelfall eine weitergehende Diagnostik erforderlich, wird der Schulpsychologische Dienst bzw. die LRS-Beratungsstelle hinzugezogen. Bei medizinischen Fragestellungen ist der Schulärztliche Dienst im Rahmen der Amtshilfe einzuschalten. Hierüber entscheidet die Schulleiterin oder der Schulleiter. Die Hinzuziehung der genannten Dienste erfolgt grundsätzlich unter Beachtung der Informations- und Beratungspflicht gegenüber den Erziehungsberechtigten.
2. Schulische Förderung
Schülerinnen und Schüler mit besonderen Schwierigkeiten im Schriftspracherwerb benötigen auf jeder Stufe ihrer Lernentwicklung und in jeder Schulstufe neue Lernchancen und Unterstützung.
Auftrag der Schule ist es, die Fähigkeiten von Kindern und Jugendlichen zu entwickeln und auftretende Lese-, Schreib- und Rechtschreibschwierigkeiten im Laufe der Schulzeit durch entsprechende Hilfen auszugleichen. Ein Übergreifen der Lese-Rechtschreibprobleme auf andere Lernbereiche soll dabei so weit wie möglich vermieden werden.
Die Schule entwickelt Arbeitsformen, durch die Schülerinnen und Schüler die erforderlichen individuellen Entwicklungsmöglichkeiten erhalten, um Sinn und Nutzen der Schriftsprache in eigenen Aktivitäten und im Austausch mit anderen zu erfahren und Einsichten in ihre Funktion und ihren Aufbau zu gewinnen. Der Lese- und Schreibunterricht muss am jeweiligen Lernentwicklungsstand des Kindes ansetzen, ausreichend Lernzeit geben und die Ergebnisse gründlich absichern.
Für die individuelle Förderung der Schülerinnen und Schüler mit besonderen Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben werden in Auswertung förderdiagnostischer Beobachtungen Förderpläne entwickelt und für den individuell fördernden Unterricht genutzt. Sie sollen im Rahmen des schulischen Förderkonzeptes mit allen beteiligten Lehrkräften und Eltern abgesprochen werden.
Die Schulen richten grundsätzlich schulinterne (evtl. klassenübergreifende) Förderung für Schülerinnen und Schüler mit erheblichen Lese- und Rechtschreibproblemen ein. Die Zuweisungsentscheidungen zu den Fördermaßnahmen im Rahmen der äußeren Differenzierung werden von der Schulleiterin oder dem Schulleiter in Absprache mit dem oder der Förderbeauftragten (Primarstufe) oder mit den Fachleitungen (Sekundarstufe) getroffen.
3. Zuständigkeit der Jugendhilfe für außerschulische Hilfen
Schulische Teilleistungsstörungen können im besonderen Fall zu sekundären Entwicklungsproblemen und schwerwiegenden seelischen Störungen führen, die eine Leistung nach dem Jugendhilfeplan erforderlich machen. Wird bei einer Schülerin oder einem Schüler eine manifeste oder drohende seelische Behinderung als Folge der Lese- Rechtschreibschwierigkeiten angenommen, erfolgt nach Entscheidung durch die Förderbeauftragte/ den Förderbeauftragten oder die Klassenlehrerin/ den Klassenlehrer eine Vorstellung beim Schulpsychologischen Dienst. Ist nach umfassender Diagnostik des Schulpsychologischen Dienstes sowie ggf. medizinischer Diagnostik durch das Gesundheitsamt eine Jugendhilfemaßnahme zu prüfen, leitet dieser ein Hilfeplanersuchen an das Jugendamt (Sozialdienst Junge Menschen und Familien Bremen / Amt für Jugend und Familien Bremerhaven).
Der Ambulante Fachdienst Junge Menschen in Bremen bzw. der Soziale Dienst des Amtes für Jugend und Familie in Bremerhaven prüft und entscheidet, ob und, wenn ja, welche pädagogischen und damit verbundenen therapeutischen Leistungen gemäß § 35a SGB VIII bzw. gem. § 27 ff SGB VIII gewährt werden.
4. Berücksichtigung von Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben bei der Leistungserhebung und Leistungsbewertung
Auch für Schülerinnen und Schüler mit besonderen Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben gelten die Bestimmungen zur Leistungsbeurteilung. Besondere Vorgehensweisen sind nach pädagogischem Ermessen und nach den Grundsätzen der Ziffern 4.1 bis 4.4.2 geboten, sofern diese Vorgehensweisen geeignet sind, die Lernbereitschaft zu fördern und die Lernentwicklung zu unterstützen oder eine - ausschließlich durch besondere und anhaltende Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben gefährdete - Kontinuität des Bildungsweges zu gewährleisten. Sie schließen die in der Regel vorübergehende Aussetzung der lese- und rechtschreibbezogenen Leistungsbewertung mit ein.
Sie sind insbesondere zu gewähren, wenn mit Hilfe der klasseninternen oder zusätzlicher Fördermaßnahmen die Lese-Rechtschreibschwierigkeiten einer Schülerin/ eines Schülers nachweislich nicht deutlich gemildert bzw. behoben wurden.
Entscheidungen auf das Gewähren von Nachteilsausgleichen und Abweichungen von Bestimmungen zur Leistungserhebung und Leistungsbewertung sind immer Bestandteil einer individuellen Förderung, über die mindestens im Schuljahresabstand durch die Klassenkonferenz neu zu befinden und die zu dokumentieren ist.
4.1 Besondere Hilfen - Nachteilsausgleiche
Vorrangig vor dem Abweichen von den allgemeinen Bestimmungen zur Leistungsbewertung sind Hilfen im Sinne eines Nachteilsausgleichs vorzusehen:
- Zur Feststellung wie zur Förderung der Lesefertigkeiten sollen anstelle des lauten Vorlesens in der Klasse individuelle Leseproben - auch mit Hilfe von Tonaufzeichnungsgeräten - durchgeführt bzw. Leseverständnisübungen eingesetzt werden.
- Wenn die Ausprägung der Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten es erfordern und es der Leistungsverbesserung dient, soll bei entsprechender Ausstattung der Schule die Benutzung eines Hilfsmittels zur elektronischen Textverarbeitung in allen geeigneten Fächern gewährt werden.
- Bei einer schriftlichen Arbeit oder Übung, insbesondere wenn sie der Feststellung der erreichten Rechtschreibfertigkeit im Fach Deutsch oder in den Fremdsprachen dient, kann die Lehrerin oder der Lehrer eine evtl. andere Aufgabe stellen, die eher geeignet ist, einen individuellen Lernfortschritt zu dokumentieren.
- Auch soll mehr Zeit zur Erfüllung der Arbeit oder Aufgabe eingeräumt und/oder ihr Umfang begrenzt werden. Dies gilt für alle Fächer, wenn die jeweilige Aufgabe Ansprüche an die Lese- und/oder Rechtschreibkompetenz stellt.
Nachteilsausgleiche sind grundsätzlich als Möglichkeit des pädagogischen Handelns und als Element der Förderung zu verstehen und zu praktizieren. Das durchgängige Gewähren von Nachteilsausgleichen im Sinne besonderer Hilfen setzt jedoch in den Abschlussklassen der Sekundarstufe I und in der Sekundarstufe II voraus, dass ein Gutachten der LRS-Beratungsstelle oder des Schulpsychologischen Dienstes vorliegt, das zu Beginn der Jahrgangsstufe bzw. Schulstufe nicht älter als ein Jahr sein darf und das ausdrücklich entsprechende Nachteilsausgleiche befürwortet.
4.2 Abweichungen von Bestimmungen zur Leistungserhebung und Leistungsbewertung - Notenschutz:
Wenn trotz begleitender klasseninterner oder zusätzlicher Förderung und der Gewährung besonderer Hilfen gem. 4.1 zum Nachteilsausgleich die Leistungen in Deutsch und/oder einer Fremdsprache und ggf. auch in anderen Fächern aufgrund von Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben über ein Schulhalbjahr hinweg schlechter als „ausreichend“ sind, ist die Möglichkeit des Abweichens von Bestimmungen zur Leistungserhebung und -bewertung zu prüfen.
Über entsprechende Abweichungen wird durch die Klassenkonferenz entschieden; die Schulleitung wird darüber informiert.
Die Erziehungsberechtigten müssen zu Beginn des Zeitraums, in dem zeugnisrelevante Abweichungen von den Bestimmungen zur Leistungsbewertung praktiziert werden, formlos ihr Einverständnis erklären, andernfalls können die vorgesehenen Abweichungen nicht realisiert werden.
In Fällen, bei denen die Herleitung der Leistungsbewertung mit dem Ergebnis schlechter als „ausreichend“ zwischen den Erziehungsberechtigten und der Schule strittig ist und die Erziehungsberechtigten auf einer Berücksichtigung von Lese-Rechtschreibschwierigkeiten bestehen, entscheidet die Schulleiterin oder der Schulleiter, ggf. unter Einbeziehung der LRS-Beratungsstelle oder des Schulpsychologischen Dienstes.
Schülerinnen und Schülern der Sekundarstufe II, deren veränderungsresistente erheblichen Lese-Rechtschreibschwierigkeiten im Laufe der Sekundarstufe I ausreichend dokumentiert wurden, können auf Antrag der Erziehungsberechtigten bzw. der volljährigen Schülerin / des volljährigen Schülers die im Folgenden unter 1. bis 6. genannten Möglichkeiten des Notenschutzes ausnahmsweise bis zum Beginn der Jahrgangsstufen, deren Leistungen in den Abschluss des jeweiligen Bildungsgangs eingehen, eingeräumt werden. In den Bildungsgängen, die zur Allgemeinen Hochschulreife führen, heißt das, bis zum Beginn der Qualifikationsphase. Die Schulleiterin oder der Schulleiter entscheidet über den Antrag, ggf. unter Hinzuziehung der LRS-Beratungsstelle oder des Schulpsychologischen Dienstes. Für die Jahrgangsstufen der Sekundarstufe II, deren Leistungen in den Abschluss des jeweiligen Bildungsgangs eingehen, gilt die Regelung unter 4.4.
Folgende Maßnahmen sind schulstufenunabhängig alternativ oder insgesamt vorzusehen:
- Auf die Beurteilung von Lernzielkontrollen im Lesen oder Schreiben wird mit Hinweis auf die besonderen Lese-Rechtschreibschwierigkeiten der Schülerin bzw. des Schülers verzichtet oder sie wird durch eine aufbauende verbale Leistungsbeschreibung (ohne Bezug zum herkömmlichen Notensystem) ersetzt.
- In den schriftlichen Arbeiten im Fach Deutsch und ggf. in den Fremdsprachen führt die Teilnote der Rechtschreibung zu einer Herabstufung der Gesamtleistung um maximal eine Note bzw. 2 Punkte der einfachen Wertung.
- In Fällen besonders ausgeprägter Rechtschreibschwierigkeiten kann auch hier auf die Beurteilung der Rechtschreibleistung gänzlich verzichtet werden.
- Bei gebesserter rechtschriftlicher Leistung im Fach Deutsch kann die Gewährung eines Notenschutzes auf die Fremdsprache(n) begrenzt werden.
- Die mündlichen Leistungen in den sprachlichen Fächern sind stärker zu gewichten.
- In den anderen Unterrichtsgebieten geht die Beurteilung der Rechtschreibung ggf. auch des Lesens nicht in die Gesamtbeurteilung der Leistung ein.
Im Zeugnis ist unter „Bemerkungen” festzuhalten, dass aufgrund besonderer Schwierigkeiten im Schriftspracherwerb der Anteil des Lesens und / oder des Rechtschreibens bei der Bildung der Noten einzelner Fächer oder grundsätzlich zurückhaltend gewichtet oder auch nicht berücksichtigt wurde.
4.3 Versetzungen und Übergänge
Besondere Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben allein sind kein Grund, eine Schülerin oder einen Schüler für den Übergang in die nächste Jahrgangsstufe, die angrenzende Schulstufe oder eine weiterführende Schulart bei sonst angemessener Gesamtleistung als nicht geeignet zu beurteilen.
Würde ein Schüler bzw. eine Schülerin der Sekundarstufe I nur wegen nicht ausreichender Leistungen im Fach Deutsch oder in den Fremdsprachen nicht versetzt, kann ihn oder sie die Versetzungskonferenz im Sinne des §6(1) der Versetzungsordnung versetzen, wenn die nicht ausreichenden Leistungen im Fach Deutsch oder in den Fremdsprachen auf besondere Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben zurückzuführen sind.
Bei Schulwechsel oder beim Übergang in die nächsthöhere Schulstufe werden die individuelle Förderplanung und -berichterstattung zusammen mit der Lernentwicklungsdokumentation weitergeleitet.
4.4 Abgangs- und Abschlusszeugnisse, Aufnahme- oder Abschlussprüfungen
Die Gewährung eines Notenschutzes auch in Abschlussprüfungen und den Abschlusszeugnissen der Sekundarstufe I und II ist möglich, wenn die Abweichung von den allgemeinen und abschlussbezogenen Bestimmungen der Leistungsbewertung im Abschlusszeugnis vermerkt wird:
4.4.1 in der Sekundarstufe I,
wenn in der abschließenden Jahrgangsstufe Nachteilsausgleiche und Notenschutz gem. 4.1 und 4.2 gewährt wurden und das Einverständnis der Erziehungsberechtigten dafür vorliegt,
4.4.2 in der Sekundarstufe II,
wenn der volljährige Schüler/die volljährige Schülerin oder die Erziehungsberechtigten dies beantragen; der Antrag ist spätestens 12 Wochen vor Beginn der Jahrgangsstufe zu stellen, aus der als erster Leistungen in den Abschluss des jeweiligen Bildungsgangs eingehen. In Bildungsgängen, die zur Allgemeinen Hochschulreife führen, heißt das, dass der Antrag spätestens 12 Wochen vor Beginn der Qualifikationsphase gestellt werden muss. Voraussetzung der Berücksichtigung ist eine zum Antragszeitpunkt vorliegende aktuelle Diagnostik der LRS-Beratungsstelle oder des Schulpsychologischen Dienstes.
Der Antrag auf Einzelfallentscheidung ist über die zuständige Schule mit den erforderlichen Unterlagen zur Diagnostik und bisherigen Berücksichtigung der Lese- Rechtschreibschwierigkeiten in Bremen an die Senatorin für Bildung und Wissenschaft, in Bremerhaven an das Schulamt, zu richten, die jeweils darüber entscheiden.
5. Zusammenarbeit mit Erziehungsberechtigten
Über die im Voraufgehenden benannten verbindlichen Beteiligungen von Erziehungsberechtigten hinaus gilt:
Die Erziehungsberechtigten von Schülerinnen und Schülern mit Schwierigkeiten beim Lesen, Schreiben und Rechtschreiben sind frühzeitig über Art und Ausmaß der besonderen Schwierigkeiten und über Möglichkeiten der Bewältigung zu informieren. Sie erhalten Hinweise auf die jeweils angewandte Lese- und Rechtschreibmethode, auf die besonderen Lehr- und Lernmittel, auf häusliche Unterstützungsmöglichkeiten, geeignete Fördermaterialien, Motivationshilfen und Leistungsanforderungen.
Hinsichtlich häuslicher Übungen sind die Erziehungsberechtigten über hilfreiche und hemmende Formen der Unterstützung zu beraten. Üben allein führt in vielen Fällen nicht zu den erwünschten Lernfortschritten. Notwendig ist es, die Erziehungsberechtigten auf folgende allgemeine Grundsätze hinzuweisen:
- Regelmäßige, aber kurze Übungseinheiten.
- Zusätzliche häusliche Übungen sollten so gestaltet sein, dass sie erfolgreich abgeschlossen werden können. Die Schule soll die Erziehungsberechtigten bei der Auswahl des Übungsmaterials unterstützen. Rückmeldegespräche über die Wirksamkeit der Hilfen sind notwendig.
- Für die Schülerinnen und Schüler und ihre Eltern sollen Fortschritte erkennbar sein.
6. Übergangsbestimmung, In-Kraft-Treten und Befristung
6.1 Übergangsbestimmung
Für Schülerinnen und Schüler, die vor dem 01.08.2008 in die Sekundarstufe II eingetreten sind, gilt der Erlass in der Fassung vom 01.02.2005 (Erlass 01/2005). - siehe unten!
6.2 In-Kraft-Treten und Befristung
Diese Richtlinien treten zum 01. August 2007 in Kraft. Sie treten mit Ablauf des 31. Juli 2009 außer Kraft.
Erlass 01/2005 für Schüler/innen, die vor dem 1.8.2008 in die Sekundarstufe II eingetreten sind:
Grundsätze zur Förderung von Schülerinnen und Schülern mit besonderen
Schwierigkeiten im Lesen und Schreiben (LRS-Erlass)
Präambel
Der Beherrschung der Schriftsprache kommt für die sprachliche Verständigung, für den Erwerb von Wissen und Informationen, für den Zugang zum Beruf und für das Berufsleben besondere Bedeutung zu. Es gibt Schülerinnen und Schüler mit besonderen Schwierigkeiten beim Erlernen des Lesens und Rechtschreibens. Ausmaß und Folgen solcher Schwierigkeiten sind ausführlich untersucht und diskutiert. Die pädagogische, psychologische und medizinische Forschung auf diesem Gebiet ist kontrovers und hat viele Fragen nicht abschließend geklärt. Unbestritten ist, dass die Diagnose und die darauf aufbauende Beratung und Förderung der Schülerinnen und Schüler mit besonderen Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben zu den Aufgaben der Schule gehört.
Es ist eine der wichtigsten Aufgaben der Grundschule, den Kindern das Lesen, Schreiben und Rechtschreiben zu vermitteln. Ein sorgfältig durchgeführter Erstlese- und Schreibunterricht verschafft den Schülerinnen und Schülern zunehmend größere Sicherheit im Umgang mit der Schriftsprache. Der Lernprozess wird nach Abschluss der Grundschulzeit fortgesetzt, die Kenntnisse und Fertigkeiten beim Lesen und Rechtschreiben werden erweitert und verfeinert.
Erwerben die Kinder keine tragfähigen Grundlagen beim Lesen- und Schreiblernen, können sich die Schwierigkeiten beim weiteren Lernen ausweiten. Besondere Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten entwickeln sich bereits in den Grundschuljahren und nicht erst später. Sie machen sich bei vielen Kindern schon im Anfangsunterricht, spätestens im zweiten oder dritten Schuljahr bemerkbar. Die wiederkehrenden Misserfolgserfahrungen wirken entmutigend und führen dazu, dass die Lernmotivation und das Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit allmählich verloren gehen.
Erforderlich sind deshalb frühzeitige Maßnahmen der Lernstandsdiagnostik und darauf aufbauende Förderung bis in die Sekundarstufe hinein. In Fällen andauernder und trotz früher Förderung veränderungsresistenter Schwierigkeiten beim Lesen und Rechtschreiben sind die Sekundarstufen gehalten, nach ihren Möglichkeiten angemessen weiter zu fördern und in Einzelfällen Nachteilsausgleiche zu gewähren. In der Sekundarstufe I ist dabei besonders zu beachten, dass dort Schwierigkeiten beim Lesen und Rechtschreiben in den Fremdsprachen ein weiteres Lernfeld spezifisch betreffen können.
1. Diagnostische Voraussetzungen der Förderung
1.1 Primarstufe:
Die Beobachtung der Lernausgangslage in der Klassenstufe 1 ist von grundlegender Bedeutung. Um mit der Förderung möglichst frühzeitig beginnen und einen individuellen Förderplan entwickeln zu können, müssen Lernschwierigkeiten frühzeitig erkannt werden. Grundlage eines Förderplans sind die differenzierte Beschreibung des Leistungsstandes und der spezifischen Fehlermuster beim Lesen, Schreiben und Rechtschreiben, eine Einschätzung der Lernvoraussetzungen und -bedingungen und eine gezielte Beobachtung des Lernverhaltens. Bei der Bewertung dieser Beobachtungen sind die individuellen Lernentwicklungen und die jahrgangsbezogenen Lernzielvorgaben zu berücksichtigen. Zur Unterstützung der Schulen werden in der 1. sowie in der 2. Jahrgangsstufe Sichtungsverfahren (Screenings) zur Erfassung von Schülerinnen und Schülern mit Lese-Rechtschreibschwierigkeiten durchgeführt. Aus diesen Sichtungsverfahren sind Empfehlungen für die innere und äußere Differenzierung und ggf. Zuweisungsempfehlungen für besondere schulische Fördermaßnahmen abzuleiten.
Art und Umfang der Lernschwierigkeiten, die Förderempfehlungen und die Ergebnisse der Förderung werden in den individuellen Förderplänen der Schülerinnen und Schüler festgehalten (Lernentwicklungsdokumentation), über die die Erziehungsberechtigten zu informieren und die mit ihnen zu beraten sind mit dem Ziel der gemeinsamen Unterstützung der Kinder.
Schülerinnen und Schüler mit erheblichen Lernrückständen beim Lesen, Schreiben und Rechtschreiben werden unter Einbeziehung der Erziehungsberechtigten den schulischen Förderbeauftragten vorgestellt. Förderbeauftragte sind Lehrerinnen und Lehrer der Grundschulen, die im Rahmen des Förderkonzeptes der Schule die Maßnahmen der Lernstandsdiagnostik, der Beratung und der Förderung koordinieren.
1.2 Sekundarstufe:
Die Fachlehrerinnen/Fachlehrer des Faches Deutsch und der fremdsprachlichen Fächer informieren sich zu Beginn der Sekundarstufe I über den Lernentwicklungsstand und die durchgeführten Fördermaßnahmen der Schülerinnen und Schüler mit Lese- Rechtschreibschwierigkeiten anhand der Lernentwicklungsdokumentation. Die Sekundarstufe schreibt die Förderplanung der Grundschule weiter.
1.3 Primarstufe und Sekundarstufe:
Ist im Einzelfall eine weitergehende Diagnostik erforderlich, wird der Schulpsychologische Dienst bzw. die LRS-Beratungsstelle hinzugezogen. Bei medizinischen Fragestellungen ist der Schulärztliche Dienst im Rahmen der Amtshilfe einzuschalten. Hierüber entscheidet der Schulleiter oder die Schulleiterin. Die Hinzuziehung der genannten Dienste erfolgt grundsätzlich unter Beachtung der Informations- und Beratungspflicht gegenüber den Erziehungsberechtigten.
2. Schulische Förderung
Schülerinnen und Schüler mit besonderen Schwierigkeiten im Schriftspracherwerb benötigen auf jeder Stufe ihrer Lernentwicklung und in jeder Schulstufe neue Lernchancen und Unterstützung.
Auftrag der Schule ist es, die Fähigkeiten von Kindern und Jugendlichen zu
entwickeln und auftretende Lese-, Schreib- und Rechtschreibschwierigkeiten im
Laufe der Schulzeit durch entsprechende Hilfen auszugleichen. Ein Übergreifen
der Lese-Rechtschreibprobleme auf andere Lernbereiche soll dabei so weit wie
möglich vermieden werden.
Die Schule entwickelt Arbeitsformen, durch die Schülerinnen und Schüler die
erforderlichen individuellen Entwicklungsmöglichkeiten erhalten, um Sinn und
Nutzen der Schriftsprache in eigenen Aktivitäten und im Austausch mit anderen zu
erfahren und Einsichten in ihre Funktion und ihren Aufbau zu gewinnen. Der Lese-
und Schreibunterricht muss am jeweiligen Lernentwicklungsstand des Kindes
ansetzen, ausreichend Lernzeit geben und die Ergebnisse gründlich absichern.
Für die individuelle Förderung der Schülerinnen und Schüler mit besonderen Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben werden in Auswertung förderdiagnostischer Beobachtungen Förderpläne entwickelt und für den individuell fördernden Unterricht genutzt. Sie sollen im Rahmen des schulischen Förderkonzeptes mit allen beteiligten Lehrkräften und Eltern abgesprochen werden.
Die Schulen richten grundsätzlich schulinterne (evtl. klassenübergreifende) Förderung für Schülerinnen und Schüler mit erheblichen Lese- und Rechtschreibproblemen ein. Die Zuweisungsentscheidungen zu den Fördermaßnahmen im Rahmen der äußeren Differenzierung werden von der Schulleiterin oder dem Schulleiter in Absprache mit dem oder der Förderbeauftragten (Primarstufe) oder mit den Fachleitungen (Sekundarstufe) getroffen.
3. Zuständigkeit der Jugendhilfe für außerschulische Hilfen
Schulische Teilleistungsstörungen können im besonderen Fall zu sekundären Entwicklungsproblemen und schwer wiegenden seelischen Störungen führen, die eine Leistung nach dem Jugendhilfeplan erforderlich machen. Wird bei einer Schülerin oder einem Schüler eine manifeste oder drohende seelische Behinderung als Folge der Lese-Rechtschreibschwierigkeiten angenommen, erfolgt nach Entscheidung durch den Förderbeauftragten/die Förderbeauftragte oder den Klassenlehrer/die Klassenlehrerin eine Vorstellung beim Schulpsychologischen Dienst. Ist nach umfassender Diagnostik des Schulpsychologischen Dienstes sowie ggf. medizinischer Diagnostik durch das Gesundheitsamt eine Jugendhilfemaßnahme zu prüfen, leitet dieser ein Hilfeplanersuchen an das Jugendamt (Sozialdienst Junge Menschen/Amt für Jugend und Familien Bremerhaven).
Der Ambulante Sozialdienst Junge Menschen in Bremen bzw. der Soziale Dienst des Amtes für Jugend und Familie in Bremerhaven prüft und entscheidet, ob und, wenn ja, welche pädagogischen und damit verbundenen therapeutischen Leistungen gemäß § 35a SGB VIII bzw. gem. § 27 ff SGB VIII gewährt werden.
4. Berücksichtigung von Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben bei der Leistungserhebung und Leistungsbewertung
Auch für Schüler und Schülerinnen mit besonderen Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben gelten die Bestimmungen zur Leistungsbeurteilung. Besondere Vorgehensweisen sind nach pädagogischem Ermessen und nach den Grundsätzen der Ziffern 4.1 bis 4.4.2 geboten, sofern diese Vorgehensweisen geeignet sind, die Lernbereitschaft zu fördern und die Lernentwicklung zu unterstützen oder eine - ausschließlich durch besondere und anhaltende Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben gefährdete - Kontinuität des Bildungsweges zu gewährleisten. Sie schließen die in der Regel vorübergehende Aussetzung der lese- und rechtschreibbezogenen Leistungsbewertung mit ein.
Sie sind insbesondere zu gewähren, wenn mit Hilfe der klasseninternen oder zusätzlicher Fördermaßnahmen die Lese-Rechtschreibschwierigkeiten einer Schülerin/ eines Schülers nachweislich nicht deutlich gemildert bzw. behoben wurden.
Entscheidungen auf das Gewähren von Nachteilsausgleichen und Abweichungen von Bestimmungen zur Leistungserhebung und Leistungsbewertung sind immer Bestandteil einer individuellen Förderung, über die mindestens im Schuljahresabstand durch die Klassenkonferenz neu zu befinden und die zu dokumentieren ist.
4.1 Besondere Hilfen
Vorrangig vor dem Abweichen von den allgemeinen Bestimmungen zur Leistungsbewertung sind Hilfen im Sinne eines Nachteilsausgleichs vorzusehen:
- Zur Feststellung wie zur Förderung der Lesefertigkeiten sollen anstelle des lauten Vorlesens in der Klasse individuelle Leseproben - auch mit Hilfe von Tonaufzeichnungsgeräten - durchgeführt bzw. Leseverständnisübungen eingesetzt werden.
- Wenn die Ausprägung der Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten es erfordern und es der Leistungsverbesserung dient, soll bei entsprechender Ausstattung der Schule die Benutzung eines Hilfsmittels zur elektronischen Textverarbeitung in allen geeigneten Fächern gewährt werden.
- Bei einer schriftlichen Arbeit oder Übung, insbesondere wenn sie der
Feststellung der erreichten Rechtschreibfertigkeit im Fach Deutsch oder in
den Fremdsprachen dient, kann der Lehrer oder die Lehrerin eine evtl. andere
Aufgabe stellen, die eher geeignet ist,
einen individuellen Lernfortschritt zu dokumentieren. - Auch soll mehr Zeit zur Erfüllung der Arbeit oder Aufgabe eingeräumt und/oder ihr Umfang begrenzt werden. Dies gilt für alle Fächer, wenn die jeweilige Aufgabe Ansprüche an die Lese- und/oder Rechtschreibkompetenz stellt.
Nachteilsausgleiche sind grundsätzlich als Möglichkeit des pädagogischen Handelns und als Element der Förderung zu verstehen und zu praktizieren. Das durchgängige Gewähren von Nachteilsausgleichen im Sinne besonderer Hilfen setzt jedoch in den Abschlussklassen der Sekundarstufe I und im Sekundarbereich II voraus, dass ein Gutachten der LRS-Beratungsstelle oder des Schulpsychologischen Dienstes vorliegt, das zu Beginn der Jahrgangsstufe bzw. Schulstufe nicht älter als ein Jahr sein darf und das ausdrücklich entsprechende Nachteilsausgleiche befürwortet.
4.2 Abweichungen von Bestimmungen zur Leistungserhebung und Leistungsbewertung
Wenn trotz begleitender klasseninterner oder zusätzlicher Förderung und der Gewährung besonderer Hilfen gem. 4.1 die Leistungen in Deutsch und/oder einer Fremdsprache und ggf. auch in anderen Fächern aufgrund von Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben über ein Schulhalbjahr hinweg schlechter als „ausreichend“ sind, ist die Möglichkeit des Abweichens von Bestimmungen zur Leistungserhebung und -bewertung zu prüfen.
Über entsprechende Abweichungen wird:
durch die Klassenkonferenz entschieden; die Schulleitung wird darüber informiert.
Die Erziehungsberechtigten müssen zu Beginn des Zeitraums, in dem zeugnisrelevante Abweichungen von den Bestimmungen zur Leistungsbewertung praktiziert werden, formlos ihr Einverständnis erklären, andernfalls können die vorgesehenen Abweichungen nicht realisiert werden.
In Fällen, bei denen die Herleitung der Leistungsbewertung mit dem Ergebnis schlechter als „ausreichend“ zwischen den Erziehungsberechtigten und der Schule strittig ist und die Erziehungsberechtigten auf einer Berücksichtigung von Lese-Rechtschreibschwierigkeiten bestehen, entscheidet die Schulleiterin oder der Schulleiter, ggf. unter Einbeziehung der LRS-Beratungsstelle oder des Schulpsychologischen Dienstes.
Schülerinnen und Schülern des Sekundarbereichs II, deren veränderungsresistente erheblichen Lese-Rechtschreibschwierigkeiten im Laufe der Sekundarstufe I ausreichend dokumentiert wurden, können auf Antrag der Erziehungsberechtigten bzw. der volljährigen Schülerin/des volljährigen Schülers die im Folgenden unter 1. bis 6. genannten Möglichkeiten des Notenschutzes ausnahmsweise bis zum Beginn der abschließenden Jahrgangsstufe eingeräumt werden. Die Schulleiterin oder der Schulleiter entscheidet über den Antrag, ggf. unter Hinzuziehung der LRS-Beratungsstelle oder des Schulpsychologischen Dienstes. Für die jeweils abschließende Jahrgangsstufe des Sekundarbereichs II gilt die Regelung unter 4.4.
Folgende Maßnahmen sind schulstufenunabhängig alternativ oder insgesamt vorzusehen:
1. Auf die Beurteilung von Lernzielkontrollen im Lesen oder Schreiben wird mit Hinweis auf die besonderen Lese-Rechtschreibschwierigkeiten der Schülerin bzw. des Schülers verzichtet oder sie wird durch eine aufbauende verbale Leistungsbeschreibung (ohne Bezug zum herkömmlichen Notensystem) ersetzt.
2. In den schriftlichen Arbeiten im Fach Deutsch und ggf. in den Fremdsprachen führt die Teilnote der Rechtschreibung zu einer Herabstufung der Gesamtleistung um maximal eine Note, bzw. 3 Punkte.
3. In Fällen besonders ausgeprägter Rechtschreibschwierigkeiten kann auch hier auf die Beurteilung der Rechtschreibleistung gänzlich verzichtet werden.
4. Bei gebesserter rechtschriftlicher Leistung im Fach Deutsch kann die Gewährung eines Notenschutzes auf die Fremdsprache(n) begrenzt werden.
5. Die mündlichen Leistungen in den sprachlichen Fächern sind stärker zu gewichten.
6. In den anderen Unterrichtsgebieten geht die Beurteilung der Rechtschreibung ggf. auch des Lesens nicht in die Gesamtbeurteilung der Leistung ein.
Im Zeugnis ist unter „Bemerkungen” festzuhalten, dass aufgrund besonderer Schwierigkeiten im Schriftspracherwerb der Anteil des Lesens und/oder des Rechtschreibens bei der Bildung der Noten einzelner Fächer oder grundsätzlich zurückhaltend gewichtet oder auch nicht berücksichtigt wurde.
4.3 Versetzungen und Übergänge
Besondere Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben allein sind kein Grund, eine Schülerin oder einen Schüler für den Übergang in die nächste Jahrgangsstufe, die angrenzende Schulstufe oder eine weiterführende Schulart bei sonst angemessener Gesamtleistung als nicht geeignet zu beurteilen.
Würde ein Schüler bzw. eine Schülerin der Sekundarstufe I nur wegen nicht ausreichender Leistungen im Fach Deutsch oder in den Fremdsprachen nicht versetzt, kann ihn oder sie die Versetzungskonferenz im Sinne des §6(1) der Versetzungsordnung versetzen, wenn die nicht ausreichenden Leistungen im Fach Deutsch oder in den Fremdsprachen auf besondere Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben zurückzuführen sind.
Bei Schulwechsel oder beim Übergang in die nächsthöhere Schulstufe werden die individuelle Förderplanung und -berichterstattung zusammen mit der Lernentwicklungsdokumentation weitergeleitet.
4.4 Abgangs- und Abschlusszeugnisse, Aufnahme- oder Abschlussprüfungen
Die Gewährung eines Notenschutzes auch in Abschlussprüfungen und den Abschlusszeugnissen der Sekundarstufe I und II ist möglich:
4.4.1 in der Sekundarstufe I,
wenn in der abschließenden Jahrgangsstufe Nachteilsausgleiche und Notenschutz gem. 4.1 und 4.2 gewährt wurden und das Einverständnis der Erziehungsberechtigten dafür vorliegt, dass die Abweichung von den allgemeinen und abschlussbezogenen Bestimmungen der Leistungsbewertung im Abschlusszeugnis vermerkt wird.
4.4.2 in der Sekundarstufe II,
wenn der volljährige Schüler/die volljährige Schülerin oder die Erziehungsberechtigten dies beantragen; der Antrag ist spätestens 12 Wochen vor Beginn der abschließenden Jahrgangsstufe zu stellen. Voraussetzung der Berücksichtigung ist eine zum Antragszeitpunkt vorliegende aktuelle Diagnostik der LRS Beratungsstelle oder des Schulpsychologischen Dienstes.
Der Antrag auf Einzelfallentscheidung ist über die zuständige Schule mit den erforderlichen Unterlagen zur Diagnostik und bisherigen Berücksichtigung der Lese-Rechtschreibschwierigkeiten an den Senator für Bildung und Wissenschaft, in Bremerhaven an das Schulamt, zu richten, die jeweils darüber entscheiden.
5. Zusammenarbeit mit Erziehungsberechtigten
Über die im Voraufgehenden benannten verbindlichen Beteiligungen von Erziehungsberechtigten hinaus gilt:
Die Erziehungsberechtigten von Schülerinnen und Schülern mit Schwierigkeiten beim Lesen, Schreiben und Rechtschreiben sind frühzeitig über Art und Ausmaß der besonderen Schwierigkeiten und über Möglichkeiten der Bewältigung zu informieren. Sie erhalten Hinweise auf die jeweils angewandte Lese- und Rechtschreibmethode, auf die besonderen Lehr- und Lernmittel, auf häusliche Unterstützungsmöglichkeiten, geeignete Fördermaterialien, Motivationshilfen und Leistungsanforderungen.
Hinsichtlich häuslicher Übungen sind die Erziehungsberechtigten über hilfreiche und hemmende Formen der Unterstützung zu beraten. Üben allein führt in vielen Fällen nicht zu den erwünschten Lernfortschritten. Notwendig ist es, die Erziehungsberechtigten auf folgende allgemeine Grundsätze hinzuweisen:
- Regelmäßige, aber kurze Übungseinheiten
- Zusätzliche häusliche Übungen sollten so gestaltet sein, dass sie erfolgreich abgeschlossen werden können. Die Schule soll die Erziehungsberechtigten bei der Auswahl des Übungsmaterials unterstützen. Rückmeldegespräche über die Wirksamkeit der Hilfen sind notwendig.
- Für die Schülerinnen und Schüler und ihre Eltern sollen Fortschritte erkennbar sein.
6. In-Kraft-Treten und Befristung
Dieser Erlass tritt zum 01.02.2005 in Kraft. Die Gültigkeit des Erlasses ist bis zum 31.07.2007 befristet.