hochbegabung

Hochbegabte Minderleister

Lesen Sie in diesem Beitrag, warum auch schlaue Kinder schlechte Schüler und damit „hochbegabte Minderleister“ sein können.

Was ist Hochbegabung?

Lange Zeit wurden besondere Begabungen als ein Geschenk des Himmels betrachtet. Das Zusammenspiel von Vererbung und Umwelt war noch nicht bekannt; eine einheitliche Definition in weiter Ferne. Heute gilt als hochbegabt, wer in einem Intelligenztest (z.B. dem HAWIK) einen Wert erreicht hat, der über 130 liegt. Dieses Ergebnis wird von zwei bis drei Prozent der Gesamtbevölkerung erzielt. Der IQ-Wert bildet Fähigkeiten in bestimmten Bereichen ab, etwa logisches Denken oder räumliches Vorstellungsvermögen. Kreativität und soziale Intelligenz sind Talente, die mit Intelligenztests nicht erfasst werden können und dennoch ebenfalls entscheidend sind für die intellektuelle Entwicklung eines Menschen. Soll die Begabung eines Kindes eingeschätzt werden, wird daher neben dem IQ-Wert das Eltern- und Lehrerurteil berücksichtigt. Merkmale hochbegabter Kinder sind:

  • frühes Sprechen
  • großer Wortschatz
  • genaue Beobachtungsgabe
  • schnelle Auffassungsgabe
  • überdurchschnittliches Konzentrationsvermögen
  • Langeweile bei Routineaufgaben
  • gutes Erinnerungsvermögen
  • schnelles Erkennen von Zusammenhängen zwischen Ursache und Wirkung
  • autodidaktisches Lernen
  • ausgeprägte Wissbegierde
  • geringes Schlafbedürfnis
  • mitunter Spezialinteressen
  • Lesebegeisterung
  • eigene Ansichten von Anfang an
  • Streben nach Perfektion
  • kritisches Hinterfragen von Meinungen und Autoritäten
  • starkes Verantwortungsgefühl
  • Kreativität, Fantasie
  • Sensibilität

Bei hochbegabten Kindern kommt es häufig zu einer asynchronen Entwicklung, d.h. die intellektuelle Entwicklung verläuft schneller als die emotionale und die körperliche. So kann ein Fünfjähriger die intellektuellen Fähigkeiten eines Neunjährigen haben, aber im emotionalen Erleben und im sozialen Verhalten einem Sechsjährigen oder gar einem Vierjährigen entsprechen. Problematisch wird es, wenn Fünfjährige Kriegsberichte und andere schwere Kost im Internet oder in der Zeitung lesen. Ohne über die nötige emotionale Reife zu verfügen, haben diese Kinder leichten Zugang zur nicht immer schönen Welt der Erwachsenen. Das kann Ängste auslösen. Zudem ist vielen Erwachsenen nicht bewusst ist, dass schlaue und mitunter sehr reif klingende Kinder trotz allem Kinder sind. Ein IQ von 130 und mehr schützt nicht vor Wutanfällen, Geheul und anderen völlig normalen kindlichen Verhaltensweisen.

Schwierigkeiten Hochbegabter in der Schule

Hochbegabte haben das größte Potenzial für Lernerfolg, doch Begabungen im intellektuellen Bereich drücken sich nicht immer in guten schulischen Leistungen aus. Dauerhafte geistige Unterforderung führt zu Langeweile, die früher oder später in Verhaltensauffälligkeiten und Störverhalten umschlagen kann. Die wenigsten Lehrkräfte würden bei verhaltensauffälligen Kindern eine unentdeckte Hochbegabung vermuten. Zu sehr werden Intelligenz und Begabung in Verbindung gebracht mit Angepasstheit, Motivation und der Fähigkeit, Schwierigkeiten wie ein Erwachsener erkennen, artikulieren und lösen zu können. Kinder, die trotz nachgewiesener hoher Intelligenz im schulischen Kontext versagen, stellen ihr soziales Umfeld vor Rätsel: Wie ist es möglich, dass begabte Kinder und Jugendliche weit unter ihren Möglichkeiten bleiben?

Was ist Minderleistung?

Minderleistung („Underachievement“) liegt vor, wenn ein Mensch trotz guter Intelligenz schlechte Leistungen zeigt. Etwa 15 Prozent der intellektuell Hochbegabten sind Minderleister („Underachiever“), d.h. sie erbringen erwartungswidrige schulische Minderleistungen. Sicherlich wäre es vermessen, jede Form von Schulversagen für ein Anzeichen herausragender Intelligenz zu halten, doch bleibt festzuhalten, dass das eine das andere nicht ausschließen muss. Zu den Merkmalen hochbegabter Minderleister zählen eine negative Selbsteinschätzung, d.h. wenig Zutrauen in die eigene Leistungsfähigkeit, ein unsystematisches und damit wenig effizientes Arbeits- und Lernverhalten, schlechte Motivation infolge vieler Wiederholungen und Übungen, deren Sinn dem Kind nicht offensichtlich ist, wenig Anstrengungsbereitschaft und Unterrichtsbeteiligung infolge von Langeweile, geringes Durchhaltevermögen, mangelnde Selbstkontrolle, Schulunlust, ausbleibende Erfolgserlebnisse und eine daraus resultierende depressive Verstimmung.

Ursachen und Fördermöglichkeiten

Versagt ein nachweislich intelligentes Kind im schulischen Kontext, müssen zunächst die Bedingungen und möglichen Ursachen dieser Entwicklung erkannt werden. Welchen Anteil haben das Kind, die Schule, die Eltern und ggf. das weitere soziale Umfeld? Ursachen auf Seiten des Kindes können auf der körperlichen Ebene liegen (z.B. visuelle und/oder auditive Wahrnehmungsstörungen). Diese bedürfen einer ärztlichen Abklärung. Andere mögliche Ursachen betreffen den psychischen Bereich. Manche Kinder bzw. Jugendliche wollen nur in den sie interessierenden Bereichen Leistung erbringen, verheimlichen Kenntnisse und Fähigkeiten, um nicht als Streber zu gelten oder sind aufgrund anhaltender schulischer Misserfolge in einem Zustand der „erlernten Hilflosigkeit“ (vgl. Seligman). Das ist das Gefühl, das sich einstellt, wenn ein Mensch wiederholt erlebt, dass er eine Situation nicht beeinflussen kann, gleichgültig wie sehr er sich anstrengt. Mit der Zeit stellt dieser Mensch seine Bemühungen ein, wird depressiv und verzweifelt an sich und der Welt. In diesem Falle können eine Psychotherapie und die Vermittlung passender Lern- und Arbeitstechniken helfen.

Ursachen auf Seiten der Schule können ebenfalls vielfältig sein. So stellt sich zunächst die Frage, ob die Schulform, die damit verbundenen pädagogischen Konzepte und die Persönlichkeit der Lehrkraft zum Wesen des Kindes passen. Manche Lehrer können schlecht mit ihnen geistig überlegenen Kindern umgehen; andere stellen zu niedrige Anforderungen. Gut ist eine Lehrkraft, die die Schüler individuell fordert und fördert, um jedem Kind zur optimalen Entfaltung seiner Persönlichkeit zu verhelfen. Dies sollte in jeder Schulform, auf jeder Stufe und in jedem Fach möglich sein. Bewährte Förderkonzepte sind ein beschleunigtes Lernen („Akzeleration“), ermöglicht durch eine vorzeitige Einschulung, das Überspringen von Klassen und Teilunterricht in höheren Klassen sowie ein vertieftes Lernen („Enrichment“), ermöglicht durch die Schaffung zusätzlicher, intellektuell herausfordernder Lernangebote (z.B. Arbeitsgemeinschaften, Wettbewerbe und Schüleraustauschprogramme).

Auch die Eltern und andere wichtige Bezugspersonen des Kindes haben Einflussmöglichkeiten. So kann eine niedrige Leistungserwartung der Eltern zu einer niedrigen Motivation auf Seiten des Kindes führen; zu viel Druck hingegen zu einer Verweigerungshaltung. Anforderungen und Erwartungen müssen daher möglichst realistisch sein, d.h. nicht zu hoch und nicht zu niedrig. Eltern sollten ihrem hochbegabten Kind soweit wie nötig dabei helfen, seine Spezialinteressen zu verwirklichen und daneben neue Hobbys in gemeinsamen Unternehmungen für sich zu entdecken. Erfolge in isolierten Bereichen können sich positiv auf den gesamten Leistungsbereich auswirken, weil das Kompetenzerleben und damit das Selbstwertgefühl des Kindes gestärkt wird. Aufrichtiges und wohldosiertes Lob für Leistungen und Bemühungen kann beflügeln. Günstig ist auch die Förderung eines selbstbewussten und dennoch nicht überheblichen Umgangs mit Fähigkeiten und Begabungen. Das Kind sollte anerkennen, dass jeder Mensch Stärken, Talente und Schwächen hat. Das schafft es am ehesten, wenn ihm seine Eltern eine tolerante und wertschätzende Haltung vorleben.

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