Lerntherapeut-Lerntherapie

Keine Lust! Was tun, wenn Schüler schlecht motiviert sind?

Wie können Lerntherapeuten Kinder und Jugendliche zur Mitarbeit und zum Lernen motivieren?

Schüler, die keine Lust haben

Wer lerntherapeutisch oder unterrichtend tätig ist, begegnet zuweilen Kindern oder Jugendlichen, die nicht aus eigenem Antrieb kommen, sondern von den Eltern geschickt werden. Diese Klienten zeigen ihren Unmut mitunter recht deutlich: Sie beklagen sich, schweifen immer wieder vom Thema ab, sitzen betont lässig auf dem Stuhl, verweigern die Mitarbeit oder lassen Arbeitsblätter, Bücher und sonstige Arbeitsmittel zu Hause liegen, die zur Durchführung der Lerntherapie bzw. des Unterrichts vonnöten wären. Wer eine gut frequentierte Praxis hat, kann sich von lustlosen Schülern trennen, ohne finanzielle Einbußen fürchten zu müssen. Er bzw. sie vergibt den Platz einfach neu. Was ist aber, wenn wir einen Schüler nicht einfach aufgeben möchten? Wie können wir Kinder und Jugendliche zur Mitarbeit und zum Lernen motivieren?

Voraussetzungen für Motivation

Im Idealfall ist eine interessante Lerntherapie bzw. ein mitreißender Unterricht motivierend genug. Das Kind hat Spaß an der Sache und lernt aus Freude am Tun. Berücksichtigen Sie stets die Interessen des Kindes. Vorschul- und Grundschulkinder haben eine Vorliebe für Tiere, lustige Reime und Bewegung. Es gibt eine Reihe von guten Büchern, denen sie wertvolle Anregungen entnehmen können, z.B. „ABC für die Sinne“ von Dr. Nicole Goldstein oder „Rhythmus, Klang und Reim“ von Dr. Volker Friebel. Geben Sie dem Kind Gelegenheit, Lerninhalte spielerisch auszuprobieren, kreativ zu werden und an konkreten Projekten zu arbeiten. Achten Sie auf häufige Methodenwechsel. Arbeitsblätter können auf Dauer ziemlich langweilig sein, auch wenn sie aus wissenschaftlich evaluierten Förderprogrammen stammen. Eine weitere Voraussetzung für Lernmotivation ist eine anregende Lernumgebung: eine angenehme Raumtemperatur, Tageslicht, frische Luft und ausreichend Platz.

Nah- und Fernziele

Wenn Eltern an die Schule denken, kommen ihnen die fernen Ziele in den Sinn: Bleibt mein Kind dieses Jahr sitzen? Wird es den Realschulabschluss schaffen? Die Kinder selbst leben im Hier und Jetzt. Appelle an die Vernunft („Es geht um deine Zukunft!“) nützen wenig. Hat ein Kind keine Lust auf Schulisches, kann man es auch nicht mit der Aussicht auf ein neues Fahrrad am Ende des Schuljahres locken. Für das Kind ist das zu weit in der Ferne und damit wenig greifbar. Besser ist eine Orientierung an Nahzielen: das Aufsagen eines Gedichts am nächsten Schultag, das Diktat in drei Tagen oder die Klassenarbeit in einer Woche. Auch erwachsene Lerner profitieren von einem Unterteilen großer Projekte in kleine, überschaubare, leichter zu bewältigende Teilschritte. So stehen wir nicht vor einem scheinbar unüberwindbaren Berg von Stoff, dessen Anblick uns davon abhalten kann, überhaupt erst mit der Arbeit zu beginnen.

Ursachen für mangelnde Motivation

Es gibt Schüler, die nicht ausreichend aus sich heraus („intrinsisch“) motiviert sind. Die Beziehung zum Lernstoff fehlt und damit auch das Bedürfnis, sich mit diesem Lerninhalt auseinanderzusetzen. Häufig handelt es sich um Kinder oder Jugendliche, die noch nicht die Erfahrung machen konnten, dass sich Anstrengungen auszahlen. Zu oft haben sie Misserfolge nach vielen Stunden des Lernens hinnehmen müssen. Denken Sie nur einmal an lese-rechtschreibschwache Kinder, die den Lehrerkommentar „Warum hast du nicht geübt?“ unter Diktaten lesen, auf die sie sich intensiv vorbereitet haben. Erleben Menschen zu oft, dass Ereignisse nicht beeinflussbar sind, können sie in einen Zustand der „erlernten Hilflosigkeit“ (Seligman) geraten. Sie sehen keine Verbindung mehr zwischen ihren Verhaltensweisen und den Ergebnissen. Egal was sie tun, am Ende kommt doch etwas Unerfreuliches heraus. Passiert das Schülern immer wieder, stellen sie ihre Bemühungen allmählich ein. Wie können wir diese Entwicklung abwenden?

Anstrengungen müssen sich lohnen

Nichts beflügelt mehr als Erfolg. Das gilt insbesondere für Kinder und Jugendliche, die noch nicht oft erfolgreich gewesen sind. Bei Schülern mit großen Wissenslücken sollte die Messlatte gerade so hoch gehängt werden, dass Anfangserfolge möglich sind und dass der Schüler dennoch seine Leistung als Leistung anerkennt. Loben Sie ein Kind nicht für Banalitäten. Es könnte glauben, Sie hielten es für dumm. Eine mangelhafte intrinsische Motivation kann durch extrinsische Motivation ausgeglichen werden. Soll heißen: Einem Lerner können Englischvokabeln gleichgültig sind. Kann er damit jedoch in den Genuss sozialer oder materieller Verstärker kommen, sieht die Sache ganz anders aus: Aussicht auf lobende Worte, realistische Chancen auf eine gute Note oder eine kleine Belohnung in naher Zukunft können Schülern den nötigen Anschub geben. Wenn das Kosten-Nutzen-Verhältnis stimmt, kommt Motivation nicht selten von ganz allein.

Motivationsförderung bei Kindern

Wenn Sie mit lustlosen Grundschülern arbeiten, sollten Sie es mit einem Punkteplan versuchen. Dabei erhält das Kind für einzelne Arbeitsschritte Aufkleber oder Knöpfe („Tokens“), die es später gegen einen kleinen Preis eintauschen kann. Wichtig: Das Kind muss im Voraus wissen, wie viele Tokens es für welche Handlungen erhält und welche Preise es für welche Anzahl von Tokens gibt. Manche Lerntherapeutinnen haben in ihrer Praxis eine Kiste zu stehen, in die Kinder zu Beginn der Lerntherapie schauen können. In der Kiste liegen kleine Geschenke mit „Preisschildern“, auf denen die Anzahl der dafür nötigen Tokens stehen. So kann sich das Kind genau ausrechnen, wann es für seinen Einsatz belohnt wird. Manchen Kindern macht das Sammeln und Horten von Tokens mehr Spaß als das spätere Eintauschen. Daran sieht man, wie wichtig kurzfristige Verstärker und häufige positive Rückmeldungen gerade erfolgsentwöhnten Kindern sind. In vielen Fällen entsteht aus extrinsischer Motivation intrinsische Motivation: Das Kind erlebt Erfolge und lernt zunehmend für sich und weniger für die Belohnung.

Motivationsförderung bei Jugendlichen

Oberschüler kann man nicht mit Punkteplänen locken, es sei denn, sie kennen Systeme dieser Art bereits und können sich darauf einlassen. Die besten Motivatoren für ältere Schüler sind echte Chancen auf bessere Noten, einen höheren Schulabschluss und Perspektiven nach der Schule. Dann sind sie auch bereit, an sich zu arbeiten. Es kann sinnvoll sein, gemeinsam mit dem Jugendlichen ein Berufsinformationszentrum aufzusuchen oder ihn bei der Suche nach einem Praktikumsplatz zu unterstützen. Je konkreter die Zukunftspläne werden und je klarer der Weg zum Ziel ist, desto eher wird der Jugendliche die ersten Schritte in Richtung dieses Ziels gehen. Häufig brauchen Jugendliche weniger einer Lerntherapeuten, sondern mehr einen Lerntrainer oder Coach, der die Potenziale des Jugendlichen erkennt und fördert und ihm beizeiten einen symbolischen Tritt gibt.

Anknüpfen an Vorhandenes

Wir handeln in erster Linie aus eigenen Bedürfnissen heraus, nicht um anderen einen Gefallen zu tun. Wer jemanden motivieren möchte, muss die Bedürfnisse, Gefühle und Interessen dieses Menschen aufgreifen. Jedes Kind und jeder Jugendliche ist zu irgendetwas motiviert. Häufig ist es möglich, auf diesen Spezialinteressen und Aktivitäten aufzubauen. Stellen Sie sich eine verliebte Dreizehnjährige vor, die sich nicht sonderlich für Rechtschreibung interessiert. In dieser Situation wird sie die Motivation zum Schreiben eines fehlerlosen Briefes aufbringen können. Oder denken Sie an Schüler, die Mathematik „nicht brauchen“, weil sie fest davon überzeugt sind, eines Tages Profifußballspieler zu sein. Sicherlich werden sie ihre Gehaltsabrechnung auf Richtigkeit überprüfen wollen? Es kann sich lohnen, Schülern den persönlichen Nutzen einzelner Fächer oder Themen zu erklären, wenn sie ihn selbst nicht sehen.

Und wenn das alles nichts nützt?

Manchen Schülern scheint alles egal zu sein. Da kann die Lerntherapie interessant, der Punkteplan attraktiv und die Lerntherapeutin ermutigend sein: Das Kind kommt nicht aus seiner oppositionellen oder apathischen Haltung heraus. Mitunter stecken Kinder soweit in der Rolle des Lernverweigerers, dass psychotherapeutische Hilfe erforderlich ist. Manche Kinder haben Depressionen oder andere behandlungsbedürftige Erkrankungen. Geben Sie das Kind in diesem Fall an eine Kinder- und Jugendpsychiaterin oder eine Psychotherapeutin ab, wenn Sie selbst nicht medizinisch bzw. psychotherapeutisch ausgebildet sind. Psychische Beeinträchtigungen bedürfen zunächst einer medizinischen und/oder psychotherapeutischen Behandlung, bevor Lerntherapie greifen kann.

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